Terra Preta in der Permakultur

Wie viel Permakultur steckt in Terra Preta und kann sie eine Lösung zur nachhaltigen Gestaltung sein?


Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Kohlenmeiler in Netphen-Walpersdorf: Herstellung von Terra Preta (Creative Commons: BY-SA Frank Behnsen)

Terra Preta wurde bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Amazonasbecken entdeckt und beschrieben. Die bis zu zwei Meter in die Tiefe reichenden humusreichen Bodenschichten galten als Sensation, denn auf natürliche Prozesse konnte deren Entstehung nicht beruhen.

Schnell war klar, dass diese Humusschichten auf menschliches Wirken zurückzuführen sind, denn aufgrund des feucht-warmen Klimas in den Tropen laufen dort biologische Prozesse sehr viel schneller ab, als in gemäßigten und kalten Zonen, und es bilden sich natürlicherweise lediglich dünne und kurzlebige Humusschichten.

Man fand in diesen bemerkenswerten Böden unter anderem Tonscherben, Rückstände von biologischen Abfällen, tierischen und menschlichen Fäkalien sowie pflanzlicher Kohle, die bei der Entstehung von Terra Preta offenbar eine wesentliche Rolle spielt. Diese „Schwarze Erde“ stellt einen fruchtbaren und äußerst dauerhaften Humus dar. So ist es kein Wunder, dass die Herstellung von Terra Preta auch bei uns seit einigen Jahren als Möglichkeit angesehen wird, einen dauerhaft stabilen Humusaufbau zu gestalten.

Bodenfruchtbarkeit wiederherstellen

Vor allem in der Permakultur ist die Idee, mit Terra Preta zu arbeiten, dankbar aufgenommen worden. Insbesondere mit dem Einbringen von Pflanzenkohle soll die Fruchtbarkeit der Böden wiederhergestellt werden. Gleichzeitig wird Kohlenstoff langfristig in den Boden gebracht, was der Klimaerwärmung entgegenwirken könnte.

Verschiedene Studien haben jedoch gezeigt, dass die Herstellung von Pflanzenkohle nicht unbedenklich sein kann. So belegt zum Beispiel eine Studie des Bundesumweltamtes, dass bei der Verkohlung unter anderem Polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Furane und Dioxine entstehen können¹, bei denen es sich um äußerst langlebige Schadstoffe handelt.

Dennoch scheint die Begeisterung gerade im ökologischen Bereich so groß zu sein, dass man mögliche Risiken ignoriert. Beispielsweise in Terrassenöfen oder in großen sogenannten Erdkontikis wird Holzkohle hergestellt, deren konkreter Schadstoffgehalt jeweils unbekannt ist. Und auch der Schadstoffgehalt der Verbrennungsabgase wird in den wenigsten Fällen überprüft werden.

Grundsätzlich ist es möglich in Großanlagen „schadstofffreie“ geprüfte Holzkohle zu produzieren. Die Herstellung sauberer Pflanzenkohle kann man allerdings nicht als naturgemäßen Prozess betrachten. In der Natur entstehen Feuer und Verkohlungsprozesse selten oder sporadisch, auch regional unterschiedlich, aber keineswegs in dem Umfange und der Geschwindigkeit, wie der Mensch Verbrennungsprozesse verschiedenster Art in Gang setzt.

Auch eine Möglichkeit: Kompost

Demgegenüber gibt es vielfältige natürliche Prozesse, deren Endprodukte für den Humusaufbau ähnliche Qualitäten wie die von Terra Preta haben können. Es gibt verschiedene Arten von Kompostierung deren humose Ergebnisse eine unterschiedliche Lebensdauer aufweisen. Ein Beispiel für die Schaffung langlebiger Humusformen ist die Microbielle Carbonisierung (MC) die Walter Witte beschreibt: Vereinfacht gesagt, wird dabei hauptsächlich kohlenstoffreiches Material, mit hohem Ligningehalt, vorwiegend Holz, mittels milchsaurer Vergärung, ähnlich wie bei der Silageherstellung, aufgespalten, wodurch dauerhafte Humusformen vorbereitet werden, die etwa dem entsprechen, was man sich von Terra Pretawünscht.²

Sowohl der MC-Kompost als auch Terra Preta sind langlebig und haben einen sehr hohen Kohlenstoffgehalt , jedoch eine unterschiedliche Zusammensetzung. Holzkohle enthält gerade noch 20 – 35 Prozent der Stoffe aus der Ausgangsmasse, alle flüchtigen Stoffe, wie Stickstoff, Schwefelverbindungen und so weiter, sind durch die Verkohlung entwichen. Das übrig gebliebene sogenannte Kohlenstoffskelett mit seiner hohen Porosität und dadurch bedingter immenser Oberfläche muss nun mit Nährstoffen wieder angereichert werden. Dies geschieht mit Urin oder Bokashi-Flüssigkeit, einem Erzeugnis aus vergorenem Kompost. Die Anreicherung mit Wasser, Nährstoffen und Mikroorganismen braucht rund zehn Tage, wobei die Kohle innerhalb von zwei Tagen auch wieder austrocknen kann. Die Kohlenstoffstrukturen eines pflanzlichen Gewebes finden sich auch bei Komposten aller Art, nur sind diese schon von vornherein mit Nährstoffen und Leben gefüllt.

Der MC-Kompost hat von sich aus einen hohen Nährstoffgehalt und speichert das Wasser hervorragend und dauerhaft. Praktisch die gesamte organische Masse bleibt bei dieser Variante erhalten. Alle Ausgangselemente sind nach der Vergärung noch vorhanden und der Schadstoffgehalt entspricht dem der kompostierten Pflanze. Diese Schadstoffe liegen dann jedoch zumeist in gebundener Form vor und sind somit ungefährlicher. MC-Kompost verbindet sich gut mit der Bodenmatrix und hat eine gute Regenerationsfähigkeit. Holzkohle dagegen verbindet sich kaum mit der Bodenmatrix und aufgrund des geringen Gewichts der Partikel wird die Kohle leicht durch Wind und Oberflächenwasser abgetragen.

Auch der energetische Aspekt ist zu bedenken: Der MC-Kompost entsteht durch natürliche Prozesse, kein zusätzlicher Energieaufwand ist nötig. Bei seiner Entstehung wird sogar Energie erzeugt, die beispielsweise in einem Biomeiler nutzbar gemacht werden kann. Bei der Holzkohle-Herstellung ist hingegen ein hoher Energieeinsatz mit großer Hitzeerzeugung notwendig.

Neben der Microbiellen Carbonisierung gibt es vielerlei weitere mikrobielle Prozesse, die organische Masse zu Humus werden lassen, so auch die klassische Kompostierung, wie sie in Gartenbüchern beschrieben wird. Humusformen unterscheiden sich in ihrer Dauerhaftigkeit, ihrer Bodenreaktion, ihren Nährstoffgehalten und in unterschiedlicher Belebtheit. Grundsätzlich wirken sich alle sehr positiv auf Boden und Wasserhaushalt aus. Auf ganz normalem Kompost ist das Pflanzenwachstum sogar deutlich höher als auf Terra Preta³.

Terra Preta hält den Kohlenstoff sehr langfristig im Boden, hunderte oder gar tausende von Jahren, während bei verschiedenen Komposten die Verweildauer viel kürzer ist. Deshalb muss Kompost auch immer wieder „nachgefüttert“ werden, was intensivere Kreislaufsysteme in Gang bringt.

Permakultur-Prinzipien helfen Abwägen

Hier sollen keine Möglichkeiten des Humusaufbaus grundsätzlich ausgeschlossen oder gegeneinander ausgespielt werden, denn die Vielfalt der Ansätze ist auch eine wichtige Ressource, um übermäßige und einseitige Einflüsse des Menschen auf die Natur zu verhindern. Auch die klimatischen Unterschiede sowie das unterschiedliche Wirken der Destruenten muss beachtet werden. Hohe Luftfeuchtigkeit in Verbindung mit viel Wärme beispielsweise in den Tropen macht zudem eine andere Form der Hygienisierung organischer Abfälle nötig.

Permakultur-Prinzipien helfen uns zu beurteilen, wie nachhaltig ein Gestaltungsansatz ist:

  • Ist die jeweilige Technik des Humusaufbaus multifunktional? Wird also beispielsweise bei der Kohleherstellung auch Wärme für Wohnräume erzeugt oder für die Nahrungsmittelproduktion oder -verarbeitung gebraucht?
  • Gibt es mehrere Elemente, die diese Funktionen unterstützen? Ist also der Humusaufbau auch bei Ausfall dieser Technik in ausreichendem Maße möglich beziehungsweise ist die Wärmeerzeugung auch durch andere Prozesse möglich?
  • Ist die Produktion und Verwendung der Terra Preta in der Zonierung des jeweiligen Ortes angemessen eingeordnet?
  • Wie interagieren die in einer Sektorierung analysierten Einflüsse des Ortes mit der Produktion und ihren Erzeugnissen?
  • Wie wirkt sich unsere Technik des Humusaufbaus auf die Umgebung aus und wie ist das zu bewerten?
  • Randzoneneffekte bauen nicht unbedingt auf Nährstoffreichtum auf, sondern eher auf Vielfalt.
  • Aufeinander aufbauende Systeme bedeuten Weiterentwicklung: Erkennt man, wann die Zeit für den nächsten Schritt gekommen ist, und bleibt nicht bei der Routine stehen? Erkennt man, wenn etwas sich in den Umkehreffekt wendet?

Der amerikanische Architekt Christopher Alexander beschreibt unter anderem das Prinzip der Reversibilität. Es bedeutet,dass alles, was geschaffen wird, umkehrbar sein muss. Ansonsten würden wir ein irreversibles System schaffen, welches weitere unvorhersehbare Entwicklungen nach sich zöge. Wenn man Terra Preta im großen Stile in die Erde bringt, schafft man dann damit ein irreversibles System für die Dauer von hunderten oder sogar tausenden Jahren?

Was würde eine gesteigerte Fruchtbarkeit für die Sukzession bedeuten, sind die Veränderungen noch in harmonischen überschaubaren Rhythmen und handhabbar? Werden vor Ort vorhandene Ressourcen benutzt oder werden zusätzliche Rohstoffe eingesetzt und hoher energetischer Aufwand betrieben? Sind harmonische Kreisläufe in Gang gesetzt worden oder wird durch zu langfristige Konservierung etwas ungewollt ausgebremst? Sind es natürliche Muster,die sich in der Technik und in dem Produkt wiederfinden? Gibt es eine Vielfaltder Techniken in vielfältigen Situationen, die zu vielfältigen Produkten, Strukturen sowie zu vielfältigem Leben, führt? Vor allem: Wurde die Permakultur-Ethik Sorge für die Erde, für die Menschen und das gerechte Teilen unter Berücksichtigung begrenzter Ressourcen beachtet?

Dies alles sind Fragen, die in jedem Projekt individuell geklärt werden sollten, um den Humusaufbau im Sinne der Permakultur zu gestalten.

 


¹ Umweltbundesamt: Chancen und Risiken des Einsatzes von Biokohle in Böden https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/chancen-risiken-des-einsatzes-von-biokohle-anderer

² Walter Witte: Die Microbielle Carbonisierung http://www.mc-bicon.de

³ Fischer/Glaser, Martin Luther-Uni Halle Wittenberg: Synergisms between Compost and Biochar for Sustainable Soil Amelioration (ab Seite 186/187 Synergisms for soil fertility and plant growth)

 

Ältere Fassung im September 2019 unter dem Titel "Terra Preta – Lösung oder Irrweg? Kritische Betrachtung eines scheinbar zukunftsweisenden Konzepts" erschienen, in der Rübe vom Österreichischen Verein PIA

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