Permakultur wird Hochschulstoff

In Deutschland können Studierende an mehreren Hochschulen mitunter tief in die Thematik vordringen.


Bill Mollison und David Holmgren lernten sich in den 1970er Jahren an einer Hochschule kennen und begannen dort, ihr Konzept einer permanenten Landwirtschaft und zukunftsfähigen Lebenskultur zu entwickeln. Mit ihrem Ansatz konnten sie später allerdings eher die kreativen Querdenkerinnen und alternativen Selbstversorger erreichen als die akademische Welt; schließlich entstand eine
weltweite und vielfältige Graswurzel- Bewegung. Eine Generation später hält diese nun auch wieder Einzug in die Hochschulen. Ausgehend von ihrem Engagement an der Uni Tübingen, gibt ­Sarah Daum hier einen Überblick über das, was derzeit an deutschen Hochschulen in Sachen Permakultur geschieht.

Universität Göttingen
Seit 2011 entsteht auf dem alten Pflanzgarten der Universitätsklinik in Göttingen der »PermaKulturRaum« der Uni, ein Experimentierraum für Studierende. Daraus sind zwei Lehrveranstaltungen entwickelt worden, die Projektmodule Permakultur I und II. Seitdem im Frühjahr 2015 Max Gaedt­ke als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Ökosystemmanagement die Verantwortung dafür übernommen hat, wurden die Lehrveranstaltungen neu konzipiert. Das Modul I ist nun ein offizieller Permakulturdesign-Kurs, der im Semester an vier verlängerten Wochenenden stattfindet. Hierfür werden jeweils drei weitere Lehraufträge an erfahrene Permakulturdesigner vergeben. Bestandteil des Moduls sind auch Exkursionen zu verschiedenen Anschauungsflächen. So besuchten die Teilnehmenden schon mehrfach die Lebens­gemeinschaft Steyerberg, das Dorf Heckenbeck, das Ökolandbau-Zentrum Witzenhausen sowie das Ökodorf Sieben Linden. Die Studierenden lernen die verschiedenen Ansätze der Permakultur kennen und sehen auch an den Anschauungsflächen vor Ort, wie weit Theorie und Praxis mitunter voneinander entfernt sind.
Das Modul II wurde wesentlich von Sina Goudarzi konzipiert. Die Studierenden gehen hier ein ganzes Semester lang gemeinsam durch einen Designprozess. Zunächst lernen sie innerhalb einer Woche die Grundlagen der Gestaltung komplexer Systeme, wiederholen die bereits in Modul I erlernten Permakultur-Gestaltungsmetho-den und -prinzipien und finden sich in Kleingruppen zusammen. Die Lernziele des Moduls sind Fachkompetenz im Bereich Komplexitätstheorie und Umgang mit lebendigen Systemen sowie Methodenkompetenz durch die Einführung des »System Mapping« und Umsetzungkompetenz durch Projektübungen in Gruppen. Auch die Partizipationskompetenz der Studierenden wird durch die Moderation einer Gruppensitzung gefördert, denn nur aus der Praxis lässt sich wirkliche Erfahrung gewinnen. Das Interesse an diesen Modulen ist ausgesprochen groß.

Technische Universität Braunschweig
Im April 2014 gab es den ersten Permakultur-Einführungskurs an der TU in Braunschweig. Über den AStA organisiert, wurde das Seminar im Bereich der sogenannten überfachlichen Qualifikation angeboten. Das Lehrangebot steht also allen Studierenden offen. Volker Kranz gab einen Einführungskurs in zwei Wochenendveranstaltungen. Nicht nur die positive Resonanz von Seiten der Studierenden, sondern auch der Wunsch, die Hochschule verstärkt als Multiplikationsort für Permakultur wahrzunehmen, ließen die Beteiligten nach weiteren Wegen Ausschau halten, wie man Permakultur in die Lehre der Hochschule integrieren könnte. Eine gute Möglichkeit liefert etwa das Innovationsprogramm des vom Forschungsministerium geförderten Projekts »teach4TU«, das Unterstützung für neue Lern- und Lehrkonzepte bietet. In diesem Zusammenhang entstand eine halbe Projektstelle, die ausschließlich der Planung und der Durchführung eines Design-Kurses an der ­TU Braunschweig dient. Unter hochschuldidaktischer Begleitung laufen im Wintersemester die Vorbereitungen; im Sommersemester 2017 wird der Kurs stattfinden, und zwar zunächst wieder im Rahmen der überfachlichen Qualifikation. Mittelfristig ist geplant, den Permakulturdesign-Kurs als Wahlpflichtmodul in das Curriculum des Studiengangs Umweltnaturwissenschaften aufzunehmen.
Im Bereich der Landschaftsökologie und Umweltsystemanalyse an der TU Braunschweig soll Permakultur zusätzlich als Forschungsschwerpunkt etabliert werden: zum einen niedrigschwellig über die Vergabe von permakulturrelevanten Themen für Abschlussarbeiten; zum anderen auf breiterer Basis, indem Forschungsgelder für größere Projekte aufgetan werden.

Universität Koblenz-Landau, HNE Eberswalde, TU Chemnitz
Im Sommer 2017 ist an der Universität Koblenz-Landau im Bachelor-Studium für Umweltwissenschaften eine Lehrveranstaltung zu Permakultur als Wahlmöglichkeit geplant. Auch an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) in Eberswalde soll dieses Jahr ein Designkurs stattfinden. Zudem sucht der Permakultur-Gemeinschaftsgarten an der TU Chemnitz neue Mitglieder. 
Im Zuge dieser positiven Entwicklungen entsteht an der Permakultur Akademie derzeit ein Arbeitskreis. Bisher kooperiert die Akademie mit einigen der genannten Hochschulen bei der Durchführung von Seminaren und zertifiziert den Design­kurs. Auf Anfrage vermittelt die Permakultur Akademie auch Gestalterinnen, die gemeinsam mit den Hochschulen an den jeweiligen Kontext angepasste Seminarformate entwickeln und diese in Kooperation mit der Akademie umsetzen.

Diesen Übersichtsartikel hat die Geoökologin und Permakulturlehrerin Sarah Daum (31) unter Mitarbeit von Sonja Lepper, Julius Krebs, Max ­Gaedtke und Sina Goudarzi verfasst.

bereits erschienen in: Oya : enkeltauglich leben!

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