Permakultur und die ökologische Rechte

Wie wir dazu stehen und warum.

 

 


(Bild © Helene Meißner)

Dieser Beitrag erschien zuerst am 1. Februar 2018 auf www.permakultur.de, wegen der Aktualität veröffentlichen wir ihn am 11. Februar 2021 erneut.


von Joel Campe und Judit Bartel

Seit Jahren sind das Permakultur Institut e.V. sowie die Permakultur Akademie damit konfrontiert, dass hin und wieder Menschen mit nationalistischer Einstellung oder rechtsextremer Haltung auf Permakultur aufmerksam werden und sich für die Angebote von Verein und Akademie interessieren. Diese Erfahrung teilen Verein und Akademie mit anderen Netzwerken und Organisationen, die im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind: in Umwelt- und Naturschutzorganisationen, in der Ökodorf-Bewegung und z. B. auch in den großen Anbauverbänden des Ökolandbaus tauchen immer wieder Menschen auf, deren Einstellungen kaum mit den Werten dieser Bewegungen zusammenpassen.

Warum ist das so und was ist ein angemessener Umgang damit? Mit dieser Frage beschäftigten sich das Permakultur Institut e.V. (PKI) und die Permakultur Akademie (PKA) im Jahr 2013 und 2014 ausführlich.
Diese Auseinandersetzung mündete in einer Satzungsergänzung und einer Erweiterung der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Permakultur Akademie - sowie in einem Wertestatement, welches positiv formuliert, wofür PKI und PKA stehen. In diesem Prozess hat uns maßgeblich die Ethik der Permakultur geleitet. Die Hintergründe sowie das Wertestatement sollen hier kurz dokumentiert werden, da es uns schon mehrfach zu Klarheit verholfen hat. Gleichzeitig wollen wir mit dem Sichtbarmachen der Hintergründe und unserer Beweggründe, die hinter dem Wertestatement stehen, zu einer gesellschaftlichen Klärung im Umgang mit den erstarkenden Bewegungen im politischrechten Feld beitragen.

Was haben Rechtsextremist*innen mit Natur und Umwelt am Hut?

Wie vielen Menschen ist heute bewusst, dass sich der Nationalsozialismus positiv auf Natur bezogen hat?
Die "Blut- & Bodenideologie" besagt, dass die "arische Rasse" auf "deutschem Boden" leben solle, dass der "Volkskörper" an einen bestimmten Raum gebunden sei und dass dieser Lebensraum gesund zu erhalten sei, damit das Volk gesund sein könne. Hinzu kommt, dass sich auf Natur als Vorbild bezogen wird, insofern als dass rechte Ideologien vom Sozialdarwinismus im Sinne von "das Recht des Stärkeren" geleitet sind1. Toralf Staud zitiert in der Publikation "Braune Ökologen"2 der Böll-Stiftung den Autor Oliver Geden:
"«Im Verlauf der Ökologiegeschichte waren es entgegen der heute vorherrschenden Meinung nicht etwa anarchistische, marxistische, sozialdemokratische oder liberale Strömungen, die den Charakter der Ökologie entscheidend prägten», schrieb Oliver Geden 1996 in seinem Buch «Rechte Ökologie». «Es war zumeist konservatives bis faschistisches Gedankengut, das sowohl der ökologischen Wissenschaft als auch den ökologischen Bewegungen seinen Stempel aufdrückte.» Geden zeichnet nach, wie eng die Begründung der Ökologie seit dem späten 19. Jahrhundert mit sozial-darwinistischem und rassistischem Denken verzahnt war."

Und weiter schreibt Staud:
"Rechtsextremisten übertragen wirkliche oder vermeintliche Erkenntnisse aus der Naturbeobachtung linear auf menschliche Gesellschaften3; nach diesem Muster versucht auch die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) heute, scheinrationale Begründungen für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu finden.  «Der Nationalismus», heißt es etwa in einem internen Schulungspapier, «ist die politische Ausprägung des Territorialverhaltens und dient somit der Existenzsicherung und der Arterhaltung, einem biologischen Grundprinzip.» In Wirklichkeit meint die NPD: Weil Tiere sich gegenseitig fressen, dürfen auch Menschen und Staaten Kriege anfangen."

Diese Zitate machen deutlich, dass rechte Theorie anschlussfähig ist an ökologische Ansätze (bzw. diese sogar mit hervorgebracht hat) und sie zeigen auf, warum eine klare Positionierung für uns wichtig geworden ist. Denn völkische Siedler ebenso wie die mit NPD-Funktionären eng verknüpfte Zeitschrift "Umwelt und Aktiv" beziehen sich auf Permakultur: die mit Permakultur in Verbindung gebrachte Selbstversorgung und damit z.B. der Wunsch, sich von internationalem Handel unabhängig zu machen oder den eigenen Körper gesund zu halten, lassen sich sehr gut mit rechten Ideologien in Einklang bringen.

Diese ist allerdings mit der Ethik der Permakultur nicht vereinbar, wie wir 2013 und 2014 im Rahmen unserer Auseinandersetzung herausgearbeitet haben.

 

Lasst uns auf das Positive schauen!

Was uns in unserer Auseinandersetzung immer wieder begegnet, ist die Frage: "Warum müssen wir uns damit auseinandersetzen?" Viele sagen auch: "Wenn Menschen mit rechtem Gedankengut in den Permakultur-Verein eintreten, dann können wir doch mit ihnen reden. Es ist doch wichtig, ins Gespräch zu kommen!" Manche stellen fest: "Permakultur hat für mich nichts mit Politik zu tun - ich bin jedenfalls unpolitisch" oder auch "ich will nicht gegen etwas sein, sondern für etwas!"

Wie oben erwähnt, hat uns in unserem Prozess die ethische Grundlage der Permakultur geleitet. Unserem Verständnisses nach ist diese nicht vereinbar mit menschenverachtenden Positionen und ausgrenzendem Verhalten. Rechtsextreme und rassistische Haltungen unterscheiden Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale oder Zugehörigkeiten zu bestimmten Gruppen (Religion, Herkunft, Sprache, körperliche Gesundheit,...) und sprechen ihnen verschiedene Wertigkeiten zu. Die eigene Gruppe (meist "das eigene Volk") ist der Maßstab und höherwertig, die anderen sind minderwertig. Dies wird als Legitimation verwendet, andere Gruppen zu benachteiligen, ihnen weniger Rechte zuzugestehen oder sogar ihr Existenzrecht zu verneinen.

In der Neuen Rechten (dazu werden z.B. die "Identitäre Bewegung" oder das "Institut für Staatspolitik" gerechnet), welche sich vom Nationalsozialismus abgrenzt und behauptet, sich nicht auf ihn zu beziehen, wird das Argument des "Ethnopluralismus" herangezogen: "Ethnopluralismus" ist ein Theoriekonzept der sogenannten Neuen Rechten, mit der Rassismus neu und weniger angreifbar begründet werden soll. Er behauptet, dass Völker unveränderliche kulturelle Identitäten besäßen – die vor fremden Einflüssen zu schützen seien. Dazu sollten Völker sich erstens strikt voneinander abgrenzen und zweitens auf innere Homogenität achten. Somit ist Ethnopluralismus ein ausgrenzender Nationalismus, Kritiker nennen ihn auch einen "Rassismus ohne Rassen."4

Im Gegensatz dazu geht die Ethik der Permakultur nicht davon aus, dass Landesgrenzen für das Bestehen einer Gruppe von Menschen wichtig seien. Sie behauptet auch nicht, dass Menschengruppen unterschiedliche Wertigkeiten haben. Permakultur betrachtet den ganzen Planeten als lebendig und die Menschen als einen Teil davon. Als dieser Teil haben alle Menschen gleiche Würde und gleiche Rechte.

Es ist sinnvoll, mit Menschen, die rechtsextreme oder rassistische Positionen vertreten, in Kontakt zu treten und das Gespräch zu suchen - und sei es nur um deutlich zu machen, dass wir ihre Positionen nicht teilen.
Aber dieses Gespräch sollte nicht erst innerhalb der Vereinsstrukturen des PKI gesucht werden. Es kann stattfinden, bevor eine Person Vereinsmitglied wird, um zu klären, dass die Werte der Permakultur nicht mit diesen Positionen vereinbar sind. Wird in Kursen deutlich, dass einzelne Teilnehmende menschenverachtende Positionen vertreten, ist es wichtig, diese Positionen erkennen zu können, sie zu thematisieren und sich von ihnen zu distanzieren.

 

Ich will keine Menschen ausschließen, Permakultur sagt doch "Integriere anstatt zu trennen"

Das Permakultur-Prinzip, das in unserer Auseinandersetzung um eine Positionierung zu Rechtsextremismus am häufigsten genannt wurde, war "Integriere anstatt zu trennen". Die Schlussfolgerung aus diesem Prinzip war, dass wir Menschen nicht aufgrund einer bestimmten Gesinnung ausschließen sollten. Da wir auf einem begrenzten Planeten leben, sind Ausschlüsse natürlich nur bedingt möglich, und Permakultur vertritt z.B. auch den Grundsatz "Beobachte und arbeite mit dem, was da ist".
Gleichzeitig ist es wichtig, sich bewusst zu machen, was genau eine rechtsextreme oder rassistische Haltung ist und ausmacht: diese ist massiv ausschließend. Wenn wir als Organisation uns also von Menschen mit solchen Positionen abgrenzen, dann tun wir das auch, damit sich diejenigen, die z.B. direkt oder indirekt von rechter Gewalt bedroht sind, bei uns willkommen fühlen können.

Darüber hinaus fällt uns auf, wie "weiß"*5 unsere Veranstaltungen, Kurse und die Weiterbildung Permakultur Design sind. Die Ursachen hierfür sind sicher vielfältig. Ein Grund dafür könnte sein, dass People of Color in unserer Außendarstellung kaum zu sehen sind: das PKI wirkt allein von den Fotos auf der Webseite her nicht wie ein Verein, der unterschiedlichste Menschen anzieht, sondern eher wie ein Zusammenhang, in dem sich bestimmte Milieus alternativer (weißer) Leute wohl fühlen.
Hinzu kommt die Frage: bin ich als Kursleiter*in in der Lage, diskriminierende Äußerungen zu erkennen und damit umzugehen, v.a. wenn sie vielleicht sogar andere Teilnehmende betreffen? Falls nicht, wird sich die diskriminierte Person möglicherweise bald verabschieden und Permakultur den Rücken kehren. Hier gilt es unserer Meinung nach, noch sensibler zu werden für subtil wirksame Ausschlussmechanismen in verschiedenste Richtungen, und uns um mehr Inklusion zu bemühen.

Uns ist wichtig zu betonen: wenn wir uns nach rechts abgrenzen, dann lehnen wir nicht den Menschen ab, sondern die Positionen, die dieser Mensch vertritt oder das Verhalten, das aus diesen Positionen folgt. Und wir solidarisieren uns mit den Betroffenen.

Eine genauere Übersetzung des oben genannten Prinzips lautet: „Integriere eher als zu trennen“. Es fordert uns damit auf, immer zuerst die Option des Integrierens zu prüfen. Gleichzeitig erkennt das Prinzip jedoch an, dass jedes System Grenzen ausbildet. Diese Grenzen sind bei lebendigen Systemen veränderbar und durchlässig, aber nicht vollständig offen, sonst wäre es nicht möglich zu sagen, was die einzigartige Identität dieses Systems ist.

Wir haben das Wertestatement als Unterstützung formuliert, um unsere Systemgrenzen klarer fassen zu können und auch für andere sichtbar zu machen. Indem wir positiv formulieren, wofür wir stehen, geben wir allen Menschen, die sich für Permakultur interessieren, die Möglichkeit, sich mit uns hinter diese Werte zu stellen – egal, welche Haltungen sie vielleicht in der Vergangenheit vertreten haben.

Hier also das Statement:7

 

Unsere Werte

Unser Ziel ist es, mit Permakultur Wege zu finden und zu fördern, wie wir für unsere Bedürfnisse sorgen können, ohne die Lebensgrundlagen unserer menschlichen und nicht-menschlichen Mitwelt weiter zu gefährden.
Folgende Werte sind dabei für uns zentral:

  • Achtung der allgemeinen Menschenrechte
  • Wertschätzung der Vielfalt der Kulturen und Lebensweisen auf unserem Planeten, Weltoffenheit und Freude am Austausch
  • Respektvoller und achtsamer Umgang mit der Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit der Erde und ihrer Ökosysteme
  • Förderung gemeinwohlorientierter und solidarischer Formen des Wirtschaftens
  • Verantwortliches Handeln im Sinne begrenzter Ressourcen und globaler Gerechtigkeit

Wir lehnen daher ausdrücklich jegliche Form von rassistischen, sexistischen und antisemitischen oder anderweitig diskriminierenden Äußerungen und Verhaltensweisen ab. Gleichzeitig laden wir jede*n ein, die Arbeit des Permakultur Instituts e.V. und der Permakultur Akademie entsprechend der oben genannten Werte und Ethik zu unterstützen.

 

Position beziehen

In Ergänzung zu diesem Wertestatement, das auf der Webseite des PKI zu finden ist, haben wir sowohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergänzt als auch die Satzung erweitert. Damit haben wir eine breite Grundlage geschaffen, um in den verschiedenen Rollen, in denen wir für Permakultur Institut e.V. und Permakultur Akademie auftreten, sprach- und handlungsfähig zu sein und zu bleiben.

Menschen, die sich für Permakultur interessieren und auf das PKI aufmerksam werden, bekommen durch das Wertestatement einen Eindruck davon, wie wir die Ethik der Permakultur verstehen und welche Werte unser Handeln und unser Angebot leiten. Veranstalter*innen und Kursleitende können sich durch diese Ausformulierung positionieren und wissen um den Rückhalt in PKI und PKA. Darüber hinaus ist es durch die AGBs und die Satzung auch möglich, klare Grenzen zu ziehen. Und zu guter Letzt unterstützt das Wertestatement uns dabei, öffentlich Stellung zu beziehen, wenn Permakultur mit brauner Ökologie oder überhaupt mit rechtsextremen Einstellungen oder Organisationen in Verbindung gebracht werden sollte.


1Auch Permakultur als Gestaltungskonzept hat den Anspruch, von der Natur zu lernen und stellt immer wieder die Frage: „Wie würde die Natur es machen?“. Die Naturverständnisse, mit denen wir in der Permakultur arbeiten, sind jedoch plural und facettenreich und betonen eher den systemischen und kooperativen Aspekt von Natur, statt lineare Schlüsse im Sinne des Sozialdarwinismus zuzulassen.

2https://www.boell.de/sites/default/files/Braune-Oekologen.pdf?dimension1=ds_menschenfeindlichkeit

3Für die Betrachtung menschlicher Gesellschaften ziehen wir eher soziale Zusammenhänge als Vorbilder heran, denen es gelungen ist oder gelingt, langfristig friedlich zusammenleben. Darüberhinaus gehen wir davon aus, dass Menschen die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zu bewusstem Handeln besitzen. Insofern können sie sich ethisch verpflichten und Werte für die bewusste Gestaltung der Welt postulieren. Diese Werte bestimmen nicht zuletzt, welchem Naturverständnis wir folgen.

4http://www.belltower.news/lexikontext/was-ist-ethnopluralismus

5Diese Bezeichnungen werden in der rassismuskritischen Bildungsarbeit und Forschung verwendet. Der Begriff „Weiße“ hat sich bewährt, um zu benennen, welche sozialen Gemeinsamkeiten aus dem Konstrukt des Rassismus entstanden sind (wie zum Beispiel, dass seither und noch heute unterschiedliche Chancen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt bestehen). “Schwarz” und weiß” sind keine “biologischen Tatsachen”, sondern Gesellschaftskonstrukte; sie benennen die verschiedenen Hintergründe, Sozialisationen und Lebensrealitäten. Viele Weiße sind dunkelbrauner als viele Schwarze. Weiße sind sie trotzdem. Schwarz wird dabei oft großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein konstruiertes Zuordnungsmuster handelt, und keine reelle „Eigenschaft“.

6"People of Color" ist eine selbstbestimmte Bezeichnung von und für Menschen, die nicht weiß sind. Das Konzept „People of Color“ geht davon aus, dass Menschen, die nicht weiß sind, über einen gemeinsamen Erfahrungshorizont in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft verfügen. Anders als etwa „coloured“ („farbig“/“Farbige/r“), das eine von Weißen gewählte und koloniale Zuschreibung ist, sind „People of Color“ in erster Linie „people“, also „Menschen“.

(Quelle dieser Fußnoten: www.derbraunemob.de/faq/)

7Wertestatement des Permakultur Institut e.V., aus der Satzung

 


Dieser Beitrag erschien zuerst am 1. Februar 2018 auf www.permakultur.de, wegen der Aktualität veröffentlichen wir ihn am 11. Februar 2021 erneut.

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