Nur durch viele zukunftsfähige Bewegungen kann Wandel entstehen.

Was können Permakultur-Gestalterinnen aus anderen Öko-Bewegungen mitnehmen?


Nur durch zukunftsfähige Bewegungen kann Wandel entstehen. Rotes Lastenrad vor Hochbeeten in der Stadt

Transition Town, Ökodörfer und Wildnispädagogik – es gibt viele verwandte Bewegungen, die von dem Wissen der Permakultur lernen können. Genau so, wie Permakultur-Gestalterinnen regelmäßig einen Blick in andere zukunftsweisende Bewegungen werfen sollten. Dadurch wird für alle Ansätze, die eine nachhaltige Zukunft entwickeln wollen, die Chance größer, ihre Gemeinsamkeiten in weite Teile der Gesellschaft zu tragen.

 

Was sind Gemeinsamkeiten?

Die große Gemeinsamkeit ist zunächst einmal, dass sich alle mit einer nachhaltigen Zukunft und nachhaltigen Lebensstilen beschäftigen. Dies geschieht unabhängig von politischen Lösungen oder es werden konkrete Lösungen an diese herangetragen. Wichtig ist ein Austesten und das Sammeln von Erfahrungen mit diesen neuen Lebensweisen. Es geht darum, wieder selbst aktiv die eigene Gesellschaft, die eigene Landwirtschaft, die eigene Versorgung zu gestalten. Grob lassen sich die Schwerpunkte für die einzelnen Ansätze, Bewegungen oder Interessengemeinschaften in folgende drei Bereiche einteilen:
 

(1) Rückkehr zu Natur und Wildnis

Andere Bewegungen wie die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) stellen zunächst Selbstversorgung mit Gemüseanbau und Baumpflanzungen in den Vordergrund. Dabei geht es um möglichst ökologisch erzeugte Lebensmittel und kleinbäuerliche Strukturen. So wird tatsächlich der Insektenschutz, unter anderem der Bienenschutz, und dessen Notwendigkeit von immer mehr Menschen befürwortet.
 

(2) Umdenken beim sozialen Miteinander

Das einzelne Individuum ist wichtig. Die Gemeinschaft aber auch. Doch wie viel Kontakt haben Menschen noch, zum Beispiel zu ihren Nachbarinnen? In der Stadt leben wir in anonymen Mietshäusern und auf dem Land erleben Einfamilienhaus-Siedlungen mit eingezäunten Grundstücken ein neues Hoch. Umso wichtiger ist es, dass in Ökodörfern oder urbanen Gärten die sozialen Räume wiederentdeckt und gelebt werden.
 

(3) Abkehr vom derzeitigen Wirtschaftssystem

Ständiges Wirtschaftswachstum wird eher abgelehnt. Neben der Kritik, Erfolg nur am Wachstum von Unternehmen festzumachen, bieten die Bewegungen verschiedene, wenn auch nicht ganz neue, Ansätze für zukunftsfähige Lebensstile. Dabei verfolgt zum Beispiel die Gemeinwohlökonomie ein Umdenken der (Wirtschafts-)Unternehmen. Andere Ansätze, wie die Zero-Waste-Bewegung, gehen vor allem an die einzelnen Privatpersonen und ermuntern diese, ihren Konsum radikal zu begrenzen.

 

Insgesamt lassen sich die verwandten Bewegungen der Permakultur nicht eindeutig in diese drei Bereiche einteilen. Jede, die einmal in einem urbanen Garten aktiv war, wird feststellen, dass gerade das soziale Miteinander viel mehr Platz braucht und auch einnimmt als der tatsächliche Anbau von Gemüse. So überrascht es nicht, dass sich alle Bewegungen immer mehr zu ganzheitlichen Ansätzen entwickeln. Und dieser ganzheitliche Ansatz ist für mich als Permakultur-Gestalterin so stark: Wenn ich alle drei Bereiche in meine Planungen einbeziehe, entstehen zukunftsfähige und krisenstabile Systeme. Und genau das macht die Permakultur-Ethik so wichtig für meine Arbeit:

  • Kümmere dich um die Erde (Earth Care)

  • Kümmere dich um die Menschen (People Care)

  • Begrenze Konsum und Wachstum und teile Überschüsse (Fair Share)

Welchen Bewegungen fühlen sich Permakultur-Gestalterinnen nah?

in alphabetischer Reihenfolge

Commons und Commoning: Eine deutsche Übersetzung wäre Gemeingut und Gemeinschaffen. Dabei kann zum Beispiel ein Wald ein Gemeingut werden, losgelöst von Privatbesitz. Alle betroffenen Menschen, zum Beispiel alle angrenzenden Dörfer um einen Wald, gehen dann in einen Prozess des Commoning. Sie stellen eigene Regeln auf, die den Wald, um beim Beispiel zu bleiben, langfristig für künftige Generationen erhalten. Dabei werden im Prozess Fragen der Nutzung, der Verantwortlichkeit oder auch der Transparenz geklärt.

Dragon Dreaming: Dragon Dreaming ist, mehr oder weniger, ein Prozessmodell, das konkret hilft, die eigenen Projektziele zu finden und zu verwirklichen. Dabei besteht der Prozess, zum Beispiel in einer Gemeinschaft, aus vier Phasen: Träumen, Planen, Umsetzen und Feiern. Während dieses Prozesses geht es um das soziale Miteinander, das langfristig den Gruppenzusammenhalt stärkt. Deshalb ist Dragon Dreaming sehr beliebt bei sich neu gründenden Gemeinschaften, die damit eine stabile Organisationsentwicklung schaffen können.

Fridays for Future: Entstanden ist die globale politische Bewegung 2018 durch Schüler und Schülerinnen, die jeden Freitag für Klimaschutzmaßnahmen protestierten, statt zur Schule zu gehen. Wegen der Verletzung der Schulpflicht und der konkreten Forderungen an die Politik bekam die Bewegung schnell eine unglaubliche mediale Aufmerksamkeit. Mittlerweile sind aus den wöchentlichen Protesten regionale Ortsgruppen entstanden, die untereinander vernetzt sind. Die Ziele jedoch sind gleich geblieben: Um dem Pariser Abkommen zu entsprechen und das  1,5 °C-Ziel  zu erreichen, müssen die politisch Verantwortlichen entsprechende Gesetze verabschieden, die – um nur eine der dringenden Maßnahmen zu nennen – die Abkehr von der Energiegewinnung aus Kohle voranbringen.

Gemeinwohlökonomie: Die Gemeinwohlökonomie kritisiert stark das bestehende Wirtschaftssystem, das seinen Erfolg einzig am Wachstum bemisst. Die Bewegung möchte, dass der Erfolg von Unternehmen auch an Qualitäten wie Solidarität und Nachhaltigkeit gemessen wird. Nur so sei weltweites Wirtschaften langfristig möglich, ohne unsere Lebensgrundlage zu zerstören, indem Klima und Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht werden.

Minimalismus: Beim Minimalismus geht es um die Reduzierung des Konsums. Zunächst wird ein Teil oder der gesamte Haushalt untersucht und sich von materiellem Besitz getrennt. Alles Überflüssige wird abgeschafft und Neues wird nur dann angeschafft, wenn doch mal etwas kaputt geht und nicht reparierbar ist. Der gesamte Prozess ändert dabei die eigene Lebenseinstellung und rückt die Frage: „Was brauche ich wirklich für mein Leben?“ in den Vordergrund.

Ökodörfer und Lebensgemeinschaften: Menschen in Ökodörfern und anderen Gemeinschaften möchten etwas Neues ausprobieren: Wie kann ein Zusammenwohnen über die Eltern-Kind-Familie hinaus aussehen? Wie sieht ein gutes (und meist auch nachhaltiges) Leben in der Zukunft aus? Solche Gemeinschaften sind sehr vielfältig, sowohl von der Gruppengröße her als auch von ihrem Schwerpunkt. Einige legen den Fokus auf einen kleinen ökologischen Fußabdruck, andere auf eine geteilte Ökonomie und wieder andere auf soziale Prozesse.

Postwachstumsökonomie: Unter diesem Begriff hat Niko Paech ein Konzept einer nicht-wachsenden Wirtschaft entwickelt. Hier wird eine neue Form der Wirtschaft vorgeschlagen, die nicht auf ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes aufgebaut ist. Ziel ist der Rückbau der jetzigen industriellen Strukturen, damit sozial stabile und global faire Strukturen entstehen können, die der Versorgung aller dienen. Besonders anschaulich wird dies im Arbeitszeitmodell aus dem Buch »Postwachstumsökonomie« von Niko Paech: 20 Stunden in der Woche sollten bezahlte Arbeit sein und die anderen 20 Stunden in (ehrenamtliche) Arbeit wie Pflege, Selbstversorgung und Reparatur gehen.

SoLaWi: Solidarische Landwirtschaft (abgekürzt als SoLaWi) ist eine Form der Landwirtschaft, wo die Landwirtschaft durch die Teilnehmenden selbst finanziert wird. Das Risiko von Ernteausfällen oder nicht „marktfähigem“ Gemüse wird solidarisch geteilt, wodurch die einzelnen Lebensmittel ihren monetären „Preis“ verlieren und der Wert der Verpflegung an sich in den Vordergrund rückt. Dadurch entstehen kleinbäuerliche Strukturen, die vom Wirtschaftsmarkt unabhängiger sind und stabiler in Krisen Lebensmittel erzeugen können.

Tiefenökologie: Sie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die Menschen in eine starke Verbindung zur natürlichen Mitwelt setzt. In der Tiefenökologie wird mit Übungen und Ritualen gearbeitet, die diese Verbindung zwischen Menschen, zu sich selbst oder zur Natur unterstützt. Sie begleitet sowohl einen individuellen als auch kollektiven Prozess, der auf die Herausforderungen unserer Zeit, wie zum Beispiel die Klimakrise oder soziale Ungerechtigkeit, liebevoll antwortet.

Transition Town: Die Transition-Town-Bewegung wurde von Permakultur-Designer Rob Hopkins initiiert. In Transition Towns (Städten im Übergang) soll der Prozess von der Abhängigkeit fossiler Rohstoffe hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft angestoßen werden. Dafür gibt es konkrete Praxisübungen, die Menschen mit ihren Nachbarn und Nachbarinnen ausprobieren können, bevor sie diese in der eigenen Stadt umsetzen; zum Beispiel einen gemeinschaftlichen Garten, eine Lokalwährung oder den Bau von Einrichtungen zur Gewinnung erneuerbarer Energie zur eigenen (Stadt-)Versorgung.

Urban Gardening: Mittlerweile gibt es in jeder Stadt mindestens einen Gemeinschaftsgarten, einen interkulturellen Garten oder das Bestreben, eine essbare Stadt zu werden. Mit dem Begriff urban gardening (städtisches gärtnern) ist der Anbau von Gemüse und Kräutern in der Stadt gemeint. Das kann eine bepflanzte Baumscheibe vor der Haustür sein oder eben ein Gemeinschaftsgarten, der meist eine brachliegende Fläche in einen vielfältigen Ort für Insekten, Tiere und Menschen verwandelt.

Wildnispädagogik: In der Natur- und Wildnispädagogik lernen Menschen (wieder) den Umgang mit der Natur. Dinge, die viele Jahrhunderte lang wichtig waren, werden erneut wichtig und können ausprobiert werden. Meist handelt es sich um praktische Fähigkeiten wie Feuermachen, essbare Wildpflanzen bestimmen oder Spurenlesen. Aber auch das Geschichtenerzählen rückt wieder ins Bewusstsein. Dabei wird sich auf das Wissen und den Erfahrungsschatz älterer und indigener Kulturen gestützt.

Zero-Waste: Dieser Ansatz ist ein Lebensstil, der einen hohen Stellenwert in anderen Bewegungen hat. Bei Zero-Waste geht es darum, keinen Müll zu produzierten und so mehr Nachhaltigkeit in den Alltag zu bringen. Das kann zum Beispiel durch die 5 Rs geschehen: refuse (Anschaffung neuer Dinge verweigern), reduce (reduzieren), reuse (wiederverwenden), repair (reparieren) und recycle (wiederverwerten). Mittlerweile geht Zero-Waste oft mit dem Wunsch nach einem Leben ohne Plastik und schädliche Zusatzstoffen einher.

Permakultur kann die Zukunft nicht allein gestalten.

Die Permakultur (oder das Permakultur Institut e. V. oder du als Permakultur-Gestalterin) musst das noch übernehmen und mit einbeziehen. Das fehlt noch.

Bei nachhaltigen und zukunftsorientierten Lebensweisen beobachte ich oft einen hohen Anspruch an Perfektion. Dabei muss eben keine der oben genannten Bewegungen alles können, alles abdecken und alles hundertprozentig erfüllen. Die verschiedenen Ansätze haben unterschiedliche Schwerpunkte, unterschiedliche Ursprünge und doch irgendwie alle ein gemeinsames Ziel: mit dem Planeten nachhaltiger umzugehen, sodass er auch in Zukunft als Lebensgrundlage für uns Menschen und eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren erhalten bleibt. Dafür brauchen wir viele Menschen, die etwas unperfekt machen, anstatt weniger Menschen, die zu hundert Prozent „korrekt“ leben.

Permakultur ist für mich so stark, weil es sich um einen ganzheitlichen Ansatz handelt, der die Natur, das soziale Miteinander und auch wirtschaftliche Kritik mit einbezieht. Daher ist für mich Permakultur ein übergeordnetes Muster, in das sich viele andere Bewegungen einordnen lassen. Allerdings nur aus meiner Perspektive: Wenn eine Autorin aus der Wildnispädagogik diesen Artikel geschrieben hätte, wäre vielleicht das 8-Schilde-Modell das übergeordnete Muster.

 

Wichtig jedoch ist: Keine der nachhaltigen Bewegungen kann die Welt allein retten. Es braucht die unterschiedlichen Schwerpunkte und die Weiterentwicklung der einzelnen Ansätze, die Vielfalt. Nur so schaffen es die grundlegenden Gemeinsamkeiten in die breite Gesellschaft – nur so kann Wandel entstehen.

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