Mikrobielle Carbonisierung: Der Kompost mit Kohleherstellung

Pflanzenkohle beim Kompostieren herstellen? Mikrobielle Carbonisierung macht's möglich! Das Verfahren wurde vom Ökolandbau-Berater Walter Witte entwickelt und vom Biolandwirt Christoph Zehrfuchs beim zweiten Vortrag des Webinars aufbauende Landwirtschaft 2020 vorgestellt.


Querschnitt eines MC-Komposts. Copyright Christoph Zehrfuchs.

Tomaten-Jungpflanzenanzucht im MC-Kompost. Copyright Christoph Zehrfuchs

Verschlämmung des MC-Komposts mit Glimmer-Quarz. Copyright Christoph Zehrfuchs

Interessant an dem Verfahren für die Praxis ist natürlich zum einen die Herstellung der Pflanzenkohle mit ihren positiven Eigenschaften für den Boden. Zum anderen die direkte Anreicherung der Kohle mit Nährstoffen, schon während der Kompostierung. In der Theorie entsteht dabei also fertige Terra Preta zusammen mit hochwertigem Kompost. Aber ist der fertige Kompost wirklich besser oder gleich hochwertig wie ein normaler Kompost? In diesem Artikel stellen wir erst die Beschreibung des Praktikers Christoph Zehrfuchs vor und gehen dann auf eine wissenschaftliche Untersuchung des Themas ein. Aber der Reihe nach.

Vermutlich wird jeder, der das hier liest, das Prinzip eines klassischen Komposthaufens kennen: Es werden Stickstoff- und Kohlenstoffhaltige Materialien vermischt oder in Schichten übereinander auf einen Haufen gegeben und gewässert. Im Idealfall wird der Kompost in der ersten Phase dann durch chemische Reaktionen heiß und verliert dabei einen Großteil seines Volumens (Heißrotte). Im nächsten Schritt, der bis zu zwölf Monate dauern kann, setzen die Bodenorganismen die restlichen Bestandteile des Haufens dann in Erde um und der Kompost kann geerntet werden. Was ist nun im Vergleich zur Heißrotte der Vorteil der Mikrobiellen Carbonisierung für den Kompost?

Mikrobielle Carbonisierung: Es wird weniger CO₂ freigesetzt

Durch die Prozesse der Kompostierung werden bei einer Heißrotte und der anschließenden Umsetzung der Kompostbestandteile pro Kubikmeter Kompost 3 Tonnen Kohlendioxid in die Luft freigesetzt, weltweit entspricht das 23,1 Mio t CO₂ (was im Angesicht der 45 Mrd. t CO₂ , die weltweit jährlich emittiert werden übrigens kaum ins Gewicht fällt). Das ist erstmal nicht so schlimm, weil das Kohlendioxid vorher meistens in Form von Holz eingelagert wurde. Der Kompost ist also kein Netto-Emittent von Treibhausgasen. Allerdings wäre es doch schön genau diesen Kohlenstoff dauerhaft in fester Form speichern zu können? Dann wäre die Kompostierung nämlich eine Netto-Speichermethode für CO₂, vor allem wenn der Kohlenstoff im Anschluss dauerhaft im Boden verbleibt und sogar die Fruchtbarkeit steigert.

Mit der MC-Kompostierung können pro Hektar 14,8 t Kohlendioxid (in Form von 4 t festem Kohlenstoff / ha -> als Kohle) jedes Jahr im Boden eingelagert werden. Vorausgesetzt, die Kohle wird nicht wieder aufgebrochen oder verbrannt. Da jeder Bundesbürger in Deutschland im Durchschnitt um die 11 t CO₂ /Jahr ausstößt könnten wir die Emissionen von 21 Millionen Bundesbürgern der BRD ausgleichen, wenn man von einer Landwirtschaftlichen Nutzfläche von 16 Mio. ha (Zahl von 2012) ausgeht. Natürlich sind das nur Berechnungen und Gedankenspiele, die auf der Annahme aufbauen, dass auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands jedes Jahr 10t MC-Kompost / ha ausgebracht werden. Da diese Annahme in abzusehender Zeit eher illusorisch ist dient die Berechnung eher zur Verdeutlichung dessen, was mit dieser Form der Mikrobiellen Carbonisierung im Kompostierverfahren möglich ist.

Eine ganz konkrete Form der Kohlendioxid-Einsparung kommt aber durch Christoph Zehrfuchs' Anwendung des MC-Kompost ins Blickfeld: Er nutzt ihn nämlich für seine Jungpflanzenanzucht anstatt von Torferde. Torf ist ein sehr fruchtbarer Boden der aus extrem kohlenstoffreichen Mooren gestochen und in vielen kommerziellen Gartenbaubetrieben angewandt wird. Problematisch ist dabei natürlich die Trockenlegung der Moore und der dabei entstehende Methanausstoß. Wenn MC-Kompost also wirklich eine alternative für kommerziell wirtschaftende Gartenbaubetriebe ist, könnte der CO₂-Minderungseffekt noch größer sein, als nur im Gedankenspiel beschrieben.

Mikrobielle Carbonisierung: Vorteile des MC-Komposts für das Bodenleben

Wie bereits im ersten Absatz beschrieben ist ja hinlänglich bekannt, dass Pflanzenkohle viele Vorteile im Boden hat. Durch ihre sehr große Oberflächenstruktur mit vielen Poren können Nährstoffe ideal an der Kohle andocken. Das sorgt dafür, dass Nährstoffe weniger schnell ausgewaschen werden und verringert die insgesamt nötige Düngemittelmenge im Boden. Hierbei gibt es jedoch eine Einschränkung: Die Pflanzenverfügbarkeit dürfte bei dieser Bindung prinzipiell abnehmen, da die Nährstoffe nicht frei im Boden verfügbar sind. Das gilt aber auch für alle anderen Ackerböden, die oft kaum noch Humus enthalten und deshalb jedes Jahr die Düngemenge erhöht werden muss. Abhilfe schafft hier eine lebendige Humusschicht, die ständig mit allen Teilen des Bodens in Interaktion steht. Durch die Integration der Kohlestücke in die Humusschicht können die Nährstoffe immer wieder im Humus und damit den Pflanzen verfügbar gemacht werden.

Wasserspeicherung durch Kohle

Ein weiterer Vorteil für den Boden ist, dass Kohle eine sehr hohe Wasserspeicherungsfähigkeit besitzt. Das verbessert die Fähigkeit des Bodens sich auf Extremwetterereignisse einzustellen: Sowohl bei Starkregen als auch bei Dürre ist der Boden besser vorbereitet. Bei starkem Regen nimmt der Boden mehr Wasser auf und wird weniger leicht ausgeschwemmt. Dadurch findet also insgesamt weniger Bodenerosion statt. Bei großer Trockenheit hat der Boden mehr Wasserreserven, da die Kohle im Boden die Feuchtigkeit über längere Zeit hinweg abgeben müsste.

Was bei der Mikrobiellen Carbonisierung passiert

Carbonisierung bedeutet erstmal nur, dass kohlenhaltige Stoffe aus organischer Biomasse angereichert wird. Also genau das was auch passiert wenn mir ein Brötchen im Ofen anbrennt oder wenn Holz in einem großen Meiler zu Kohle verarbeitet wird. Die Mikrobielle Carbonisierung bezeichnet Witte als "unvollständigen organischen Abbau toter organischer Substanzen" . Unvollständig ist dieser Prozess deshalb, weil im Ergebnis unverdaute Kohlenwasserstoffe übrig bleiben, die nicht weiter verarbeitet werden können. Im Falle des MC-Komposts ist das dann die Kohle. Allerdings, so schreibt Witte, entstehen dabei auch andere Kohlenwasserstoffe, die ihren Aggregatzustand von flüssig zu fest anpassen können und im Boden bio-chemisch reaktiv sind. Außerdem sollen sie die Nährstoffe im Boden pflanzenverfügbar machen.

Die chemischen Details des Prozesses will ich euch an dieser Stelle ersparen – wer möchte kann sie auf Wittes Webseite unter der Überschrift "Mikrobielle Carbonisierung" nachlesen. Wichtig zu wissen ist, dass die Kompostierung unter Sauerstoffabschluss, also anaerob vor sich geht. Der Kompost muss also nach dem Anlegen nicht mehr ständig gewendet werden und die Temperaturspanne ist leichter zu kontrollieren als bei einer Heißrotte. Nach dem Aufsetzen wird der Komposthaufen verschlossen und die restliche Kompostierung verläuft vollkommen ohne Sauerstoff. Ohne Sauerstoff kann das Holz nicht oxidieren und verbleibt deshalb als Kohlenwasserstoff im Kompost.

 MCHeißrotte
Temperatur2 Tage 40-60°C, dann 40-45°C60-70°C über 4-6 Wochen
ProzessverlaufAnaerobAerob
Dauer8 Wochen Vorstufe
6 Monate Kompostierung
Keine Würmer mehr nach 12 Monaten
Je nach Intensität der Hitze und des Wendens 8 Wochen bis 6 Monate
C/N-Verhältnis40:130:1
Feuchtigkeit50-55%50-55%
Kohlenstoffverlust20%50%

Tabelle 1 : Vergleich Heißrotte und MC-Kompost. Daten sind aus dem Vortrag "Kompostierung nach dem MC Verfahren und Torffreie Jungpflanzenanzucht" von Christoph Zehrfuchs entnommen.

Ein wichtiger Aspekt der an dieser Stelle noch genannt werden muss, ist folgender: Durch die anaerobe Kompostierung ist der Kompost nach dem Öffnen erstmal tot. Alle Mikroorganismen aus dem anaeroben Milieu sterben unter Verfügbarkeit von Sauerstoff ab oder werden inaktiv. Da der normale Boden nicht anaerob ist, muss der Kompost für eine gute Integration in den restlichen Ackerboden oder Garten wieder mit Mikroorganismen "beimpft" werden. Christoph Zehrfuchs berichtet, dass er dies mit selbst hergestellten Hornpräparaten aus der biologisch-dynamischen Landwirtschaft macht. Aus meiner Sicht kann man hier auch mit Komposttee, EM oder Wurmsaft arbeiten. Ich würde den Kompost aus Mikrobieller Carbonisierung auch mit Kompost aus aerober Kompostierung mischen und warten bis sich die Mikroorganismen darin wieder vermehrt haben. Einfach so würde ich den MC-Kompost aber nicht auf- bzw. einbringen, da der Nutzen sonst geschmälert wird.

Wie man den MC-Kompost aufsetzt

Als Ausgangssubstrat verwendet Christoph Zehrfuchs jeweils 0,5m³ Schreddermaterial, als holzige Bestandteile und frischen Stickstoff, z. B. Luzerne, Wicke oder Mist. Für den Hausgebrauch kann man auch frischen Rasenschnitt nehmen. Zusätzlich werden pro Kubikmeter 100 Schaufeln Gesteinsmehl (Christoph Zehrfuchs nutzt Glimmer-Quarz aus einem nahegelegenen Steinbruch) hinzugegeben, was dem Kompost laut Zehrfuchs eine größere Stabilität verleiht. Des Weiteren gibt er pro Kubikmeter einen Liter Fermente (z. B. EM oder Bokashi-Kompost) hinzu. Zehrfuchs hat auch noch weiter herumexperimentiert und gibt 10g zermahlenen Graphit pro Kubikmeter und 100 Schaufeln kohlensauren Magnesiumkalk pro Kubikmeter hinzu, das ist allerdings optional und wird im Original von Witte nicht so beschrieben. Das Ausgangssubstrat ist also dem normalen Kompost erstmal sehr ähnlich, und Steinmehl bekommt man im Gartenmarkt oder auch beim Raiffeisen in größeren Mengen relativ preisgünstig. Die Fermente kannst du ohne Probleme selbst ansetzen, wobei auch die optional sind.

Nach dem Aufsetzen muss der Kompost dann zwei Mal umgesetzt und dabei gewässert werden. Im Anschluss muss für den Sauerstoffabschluss die Oberfläche verschlämmt werden. Das bedeutet, dass die Oberfläche luftdicht verschlossen wird. Dafür nimmt Zehrfuchs entweder aufbereitete Rindergülle oder anderes schlammiges Material. Eine Alternative ist die Nutzung von Glimmer, eine Gruppe von Silikat-Mineralen, die man auch in Pulverform kaufen und mit Wasser vermischt zum verschlämmen nutzen kann.

Nach acht Wochen findet dann die Vererdung statt bei der der Kompost wie oben beschrieben wieder mit Mikrobakterien beimpft werden muss. Da der anaerobe Teil der Kompostierung abgeschlossen ist, kann der Kompost nun auch zum Teil geöffnet werden, um Fermente oder biologisch-dynamische Präparate oder auch aerob hergestellten Kompost einzubringen. Zehrfuchs verwendet den Kompost manchmal auch direkt nach der achten Woche zur Ernährung seiner größeren Pflanzen, wenn diese einen schnellen Schub brauchen. Ansonsten kann der Kompost nach sechs Monaten Vererdung in der Jungpflanzenanzucht als Alternative zu Torferde genutzt werden und nach zwölf Monaten zur flächendeckenden Einbringung von Kompost und Kohle.

Wissenschaftliche Untersuchung des MC-Komposts

Im mir vorliegenden Paper von Erwin Binner, Mathias Egger, Marion Huber-Humer wurde ein Praxisversuch mit einem normalen und einem MC-Kompost über 17 Wochen hinweg durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Das Ergebnis: Die Nährstoffqualität war bei beiden Kompostmieten gleich. Im MC-Kompost war ein sehr "inhhomogenes Endmaterial" (S. 282) auffällig, denn es wurden noch unverarbeitete Reste von Karotten, Zwiebeln, sowie Pferdemist gefunden. Die Autoren beschreiben eine geringere Huminstoffbildung als im herkömmlichen Kompost und die Autoren haben Zweifel, ob bei der Kompostierung Methanemissionen vollständig vermieden werden können. Sie weisen auch daraufhin, dass ihr Ergebnis kein echter Kompost im Sinne der deutschen Kompostierungsverordnung ist.

Ich werde an dieser Stelle nicht weiter in die Details des Untersuchungsaufbaus eingehen, da dies eine kritische Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsaufbau und der Ergebnisinterpretation involvieren würde. Klar ist aber: Der MC-Kompost ist nicht unumstritten.

Mein Fazit zur Mikrobiellen Carbonisierung

Für mich ist der MC-Kompost eine sehr interessante Kompostierungsmethode, die ich definitiv mal ausprobieren werde. Zwar ist die Kompostierung durchaus aufwändiger und erfordert mehr Vorbereitung als der alltägliche Komposthaufen. Ich persönlich finde die Idee der Kohleherstellung im Kompostierungsprozess sehr spannend, weil es die klassische Verkohlung von Holz zu Pflanzenkohle überflüssig macht und damit wieder Zeit spart.

Problematisch ist, die sehr dünne Studienlage zum MC-Kompost. Eine einzelne negative Studie reicht für mein Empfinden noch nicht aus, um den MC-Kompost ganz abzuschreiben. Vor allem, da Zehrfuchs mit dem MC-Kompost in seiner Jungpflanzenanzucht erfolgreich arbeitet. Eine noch ausgiebigere wissenschaftliche Untersuchung ist also meines Erachtens nach erforderlich, um das Thema abschließend bewerten und auch gegebenenfalls empfehlen, oder davon abraten zu können. An dieser Stelle kann ich alle Lesenden nur ermutigen, sich im Selbstversuch ein eigenes Bild zu machen.

Ich bin sehr auf eure Meinungen, Diskussionsbeiträge und eventuell auch Selbstversuche gespannt. Schreibt an rene@permakulturblog.de.


Bereits erschienen auf permakulturblog.de.

Hier findet ihr das Webinar Aufbauende Landwirtschaft und Walter Wittes Webseite.

Bildrechte:Christoph Zehrfuchs.

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