Mein Hof ist kein Permakultur-Hof

Permakultur ist keine neue Idee – daran sollten wir uns erinnern, wenn wir uns in lebendige, aktive ländliche Gemeinden einfügen wollen.


von Marit Parker

Seit einiger Zeit scheint es ungemein populär zu sein, sich mit dem Etikett "Permakultur-Hof" zu schmücken.

Ich bin Landwirtin / Bäuerin und ich praktiziere Permakultur, aber ich bezeichne meinen Hof nicht als Permakultur-Hof. Und es gibt einige gute Gründe, warum ich diesem Trend nicht folgen will.

Zu allererst und am wichtigsten: Permakultur bringt dir nichts über Landwirtschaft bei.

Permakultur kann dir neue Sichtweisen eröffnen und Wege zeigen, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten, aber sie erklärt dir nicht, wie man Moderhinke und Leberegel behandelt oder den Schafen beim Lammen hilft. Sie erklärt nicht wie Hecken niedergelegt1 werden, Trockenmauern repariert oder Zäune gebaut werden. Ich habe die Bewirtschaftung meines Hofes erlernt und lerne immer noch, weil Nachbarn und Freunde freigiebig ihr Wissen und ihre Erfahrung mit mir teilen. Sehr viele verschiedene Menschen haben mir im Laufe der Jahre geholfen und mich beraten, darunter Bäuerinnen und Bauern im Haupt- oder Nebenerwerb mit großen und kleinen Höfen, Förster, Ingenieure, Lokalhistoriker, Tierärzte, Köche, Mostereien, Geologen, Bodenspezialisten, Umweltschützer, Spinner und Weber, ... die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Einem Hof das Etikett Permakultur-Hof anzuheften, kommt mir wie der Versuch vor, sich abzugrenzen. Es ist nicht das gleiche wie einen Hof als Milch- oder Ackerbaubetrieb zu bezeichnen oder sogar also Bio-Hof.

Es scheint vielmehr die Andeutung zu beinhalten, dass ein Permakultur-Hof etwas Besseres ist, und gleichzeitig damit die umliegenden Höfe etwas Schlechteres. Liegt das vielleicht am negativen Image der Landwirtschaft, wie es häufig in den Medien gepflegt wird? Wollen die Neu- und Quereinsteiger nicht alle über einen Kamm geschoren werden? Sollte das der Fall sein, dann zeugt das von großer Unkenntnis – es gibt schließlich viele unterschiedliche Wege, einen Hof zu bewirtschaften – und ganz besonders im Hinblick auf die kleinbäuerlichen Betriebe und Familienbetriebe, die ganz anders funktionieren als die großen Ackerbaubetriebe der industrialisierten Landwirtschaft.

Der zweite Grund, warum ich meinen Hof nicht als Permakulturbetrieb bezeichne ist, weil mir auffällt, dass dieses Etikett, mit einigen Ausnahmen, eher einen zukünftigen Charakter hat; meistens gibt es in permakultureller Hinsicht nicht viel zu sehen, und den Menschen fehlen meist (noch) umfassende Kenntnisse und Erfahrung damit.

Für Landwirtschaft braucht man einen langen Atem. Es braucht Jahre, um das eigene Stück Land genau kennenzulernen. Irgendwann kennst du es wie deine Westentasche, aber bis dahin gibt es wahrscheinlich Nachbarn, die es um vieles besser kennen, die sich daran erinnern, wo nach starkem Regen, das Wasser lange stehenbleibt oder welches Feld sich am besten für Mutterschafe und -kühe eignet. Und am Anfang werden eben diese Nachbarn eine unschätzbare Quelle an Informationen und Wissen sein. Sich diese Nachbarn schon im ersten Jahr zu entfremden, weil der eigene Betrieb höhere Ziele verfolgt, die in erster Linie auf Ideologie basieren und nicht auf Taten, ist nicht besonders weise. Und es ist nicht nachhaltig.

Einen guten Ruf zu erlangen dauert Jahre, denn es braucht Jahre, eine gesunde Herde aufzubauen, gesundes Saatgut zu gewinnen, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu stärken und Hecken und Obstwiesen zu pflanzen oder zu pflegen. Bauern erlangen Respekt (oder auch nicht), wenn andere Jahr für Jahr ihre gesunden Tiere, ihre Ernten und Felder sehen.

Die Abhängigkeit der Menschen untereinander ist in ländlichen Gebieten viel größer als in Städten. Ein guter Nachbar sein und gute Nachbarn haben, Teil der örtlichen Gemeinschaft sein – all das macht einen bedeutsamen Unterschied für Wohlergehen und Resilienz. Da sein und mitmachen, wenn eine Veranstaltung ansteht, Hilfe anbieten, wenn der Nachbar krank ist oder einen Unfall hatte, sind wesentliche Bestandteile will man Teil einer ländlichen Gemeinde sein. Anstatt das Terrain abzustecken und Unterschiede hervorzuheben, ist es viel wichtiger, gemeinsame Werte und Berührungspunkte zu erkunden. Wie großartig dein Permakulturentwurf auch sein mag, Schneesturm bedeutet trotzdem, loszuziehen und die Tiere zu versorgen oder zu retten.

Im Hinblick auf das zweite und dritte ethische Permakulturprinzip, sind all diese Überlegungen bereits Permakultur. Und sie sollten mindestens genauso wichtig bei deinem Entwurf sein, wie die Stelle, an der der Teich gebaut wird.

Permakultur ist keine neue Idee – daran sollten wir uns erinnern, wenn wir uns in lebendige, aktive ländliche Gemeinden einfügen wollen.

Permakultur ist vielmehr eine Sammlung von traditionellem und indigenem Wissen der ganzen Welt, angepasst an die urbane Generation, die sich der Natur und sich selbst entfremdet hat. Es ist Wissen, das in bäuerlichen Gemeinschaften zusammengetragen wurde, und ist damit Teil eines gemeinsamen geteilten Wissens- und Erfahrungsschatzes dieser Gemeinschaften. Ja, auch in Industrienationen und ja, auch heute noch.

Wer auf dem Land aufgewachsen ist, geht oft eine tiefe Verbindung mit dem Land, dem eigenen Habitat ein, denn um mit dem Land gedeihen zu können, müssen wir verstehen, wie die Natur arbeitet und wie wir uns dort am besten einfügen können. In diesem Sinne hat Permakultur dem landwirtschaftlichen Wissen von denen, die bereits tief eingetaucht sind in die Bewirtschaftung ihres Fleckchens Erde, vielleicht nicht viel hinzuzufügen. Es sei denn, das Design wird auch auf die sozialen Aspekte angewandt. Dann kann Permakultur zu einem äußerst wirksamen Werkzeug werden, um sich in der örtlichen Gemeinschaft zu verwurzeln.

Permakultur wird meistens im Zusammenhang mit Gärtnern und Landwirtschaft gesehen, aber tatsächlich lässt sie sich auf alle Aspekte des Lebens anwenden.

Die drei grundlegenden ethischen Prinzipien (Sorge für die Erde, Sorge für die Menschen, Begrenze Konsum und Wachstum - teile Überschüsse und ein neuerdings häufig genanntes zusätzliches Prinzip: Sorge für die Zukunft) macht sie im höchsten Grade relevant für soziale Fragen und soziale Gerechtigkeit. In ländlichen Gebieten sehen wir uns mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie in der Stadt, wie z.B. Obdachlosigkeit und Gentrifizierung, aber sie werden oft überspielt und ignoriert. Der Flächendruck ist ebenfalls ein Problem, und wenn es nicht um Bürogebäude oder Luxuswohnraum geht, dann geht es um Abbau von Ressourcen (z.B. Bergbau, Steinbrechen, Forstplantagen, Staudämme, Windparks), um Investment, um ein schönes Plätzchen für die Rente oder neuerdings auch um Renaturierung. Nur wenigen ist klar, wie fragil ländliche Gemeinden sind, und dass eine augenscheinlich kleine Veränderung zu Verlust an Resilienz, an Wissen und an für den Ort wichtigen Menschen führen kann. Sprache, Dialekt und Kultur tragen das Wissen von Generationen in sich, das das Gedeihen und Überleben in häufig unwirtlichen Gegenden sichert. Wenn die jungen Leute wegziehen, ist die Kette unterbrochen und nur schwer zu reparieren, vor allem dann, wenn Zugezogene nur eine leere Landschaft ohne gewachsene Kultur wahrnehmen.

Keine Landschaft ist ein "unbeschriebenes Blatt".

Viele, die einen Permakulturkurs absolviert haben, denken, sie müssten nun der Stadt den Rücken kehren und Land kaufen. Manchmal ist dies gut und richtig, und es entstehen wundervolle Dinge. Aber eben nicht immer. Manchmal haben unsere Taten, wie wohlmeinend auch unsere Intention sein mag, negative Auswirkungen. Es ist wichtig, sich das Privileg und die Verantwortung bewusstzumachen, die wir haben, indem wir uns frei bewegen und Land erwerben können, gerade im Hinblick auf den Einfluss, den unsere privilegierten Entscheidungen auf die von uns gewählte Örtlichkeit haben mag.

Will man alle drei ethischen Prinzipien ernst nehmen, müssen wir uns unbequeme Fragen stellen:

  • Bist du als Zugezogener jemand, der sich dort niederlässt, ein Siedler? Bist du ein neuer Kolonialist?
  • Hat dein Erscheinen negative Auswirkungen auf eine sprachliche oder kulturelle Minderheit?
  • Für dich mag das Land billig sein, aber ist es das auch für andere, wie z.B. die junge Generation vor Ort? Gibt es Möglichkeiten, diesen Fragen zu begegnen?

Nesta Wyn Jones ist Bäuerin und Dichterin in Nord-Wales. Vor einigen Jahren viel ihr auf, wie die wachsende Zahl von Zugezogenen die lokale Kultur verdrängte und die Alltagssprache zu wechseln begann. Sie bot daraufhin Sprachkurse an, in denen die Lernenden auch etwas über die lokale Kultur und örtlichen Gepflogenheiten lernten. Inzwischen lernen viele nach Wales Zugezogene tatsächlich walisisch, und die neue Herausforderung besteht darin, ihnen bei dem Schritt zu helfen, die Sprache auch in ihrem Alltag zu verwenden. Zum Teil geht es darum, Achtsamkeit zu wecken, damit den Menschen klar wird, dass um sie herum bereits eine reiche, vielfältige Kultur existiert, die in der Landschaft verwurzelt ist; und die häufig genau, das widerspiegelt, was sie dort zu erschaffen hoffen.

Wie so oft in der Permakultur, geht es um das Beobachten: Wahrnehmen, was bereits da ist, anstatt den Blick nur auf unsere Wünsche zu richten oder darauf wie etwas "sein sollte". Und es ist wichtig, sich zu erinnern, dass Beobachten nicht nur Sehen heißt: Zuhören ist genauso wichtig. Beobachten heißt, sich die Zeit zu nehmen, den Menschen zuzuhören, die bereits da sind, die das Land kennen und deren Leben und Geschichten ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft sind. Es bedeutet, anzuerkennen, dass traditionelles Wissen nicht statisch ist, dass die Gesellschaft auf dem Land nicht homogen ist, und dass Konventionen Gründe haben, die sich zweifelsohne aber auch wieder ändern können.

Am allerwichtigsten: Beobachten heißt, offen zu sein, um von Menschen zu lernen, die unterschiedliche Perspektiven und andere Erfahrungen haben, die auf andere Art Wissen teilen und bewahren. Denn in den meisten Fällen – wenn du dir Zeit nimmst zu sehen und zu hören und zu erkennen, was vor dir da war (und vermutlich auch immer noch da sein wird, wenn du schon lange wieder weg bist) – wirst du unerwartete Verbundenheit und gemeinsame Werte entdecken, die zeigen, dass die Summe so viel mehr ist als ihre Teile.

 


1 Anmerkung der Übersetzerin: Im Englischen „hedge laying“ – bezeichnet eine bestimmte Art und Weise wie in Groß Britannien Hecken geschnitten und gelegt werden, um sie zu lebendiger, sehr dichter, tiersicherer Einfriedung zu machen. Diese niedergelegten Hecken sind den in Deutschland bekannten „Gebücken“ ähnlich.

 

Marit Parker gehört zum fachbezogenen und redaktionellen Kollektiv der Permaculture Women’s Guild; im online Permaculture Design Course unterrichtet sie die Module Soziale Gerechtigkeit und Dekolonialisierung.

Mein Hof ist kein Permakultur-Hof (original: Why my farm isn’t a "permaculture farm”) wurde zuerst veröffentlicht bei PermacultureWomen auf Medium, wo der Austausch darüber fortgesetzt wird.

Webseitenabruf zuletzt am 19.03.2020

 

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