Lebendige Landwirtschaft auf Hof Luna

Einblick in ein Jahr Permakulturpraxis am LernOrt


von Simone Ries, Cheryl und Thom Meiseberg

Es wird wieder Herbst, die Tage merklich kürzer und kühler. Der Garten wird auf den Winter vorbereitet. Das heißt, die späten Kulturen ausbringen, die letzte Ernte einholen, das Saatgut ernten nicht vergessen.

Und natürlich beginnt die Heizsaison. Das bedeutet täglich mindestens eine bis zwei Schubkarren voll Holz bewegen. Also erst einmal spalten und dann im großen Hausofen verheizen. Sonst haben wir weder Warmwasser noch die Möglichkeit die Zimmer aufzuwärmen.

Hof Luna ist seit 30 Jahren ein Demeterhof, Naturschutzhof, Archehof. Im Mittelpunkt steht das Anglerrind, eine alte Zuchtrichtung, sowie die uns umgebende Landschaft zwischen Leinetal und südlichem Sackwald. Dort leben, neben den Landwirten, Cheryl und Thom Meiseberg zusammen mit Auszubildenden und Praktikant*innen und gestalten den LernOrt Lebendige Landwirtschaft.

Simone fängt mit der Weiterbildung an

Der erste Oktober war der Stichtag. Fredi und Simon haben ihr Studienjahr beendet und Simone hat begonnen. Sie wird sich nun täglich mit den notwendigen Arbeiten und den Routinen beschäftigen, nimmt die Gelegenheit wahr viel Selbstversorgerwissen zu erlangen und praktisch zu erproben. Es beginnt mit einer feierlichen Woche. Zum Ankommen ein Picknick mit vielen selbst gemachten Leckereien. Dann gibt es Vieles und Viele kennenzulernen, den Hof und die Umgebung zu erkunden und sich mit dem Studienprogramm vertraut zu machen. Wie werden die Tagesabläufe sein, wie sehen die konkreten Aufgaben aus, was ist zu tun? Nach dieser Woche und der Abschlusspräsentation der beiden Absolventen wird einiges viel deutlicher. Aber es bedarf noch einiger Zeit, um ein klares Bild zu haben und eigene Lernanliegen konkret formulieren zu können.

„An dieser Stelle komme ich, Simone, ins Spiel, um euch meine bisherigen Erfahrungen zu erzählen. Seit über sechs Wochen arbeite und lebe ich auf dem Hof Luna. Zu Beginn meiner einjährigen Lernzeit gab es von Thom und Cheryl einen Stundenplan, der meinen Alltag von morgens bis abends in verschiedene Einheiten unterteilt. Darunter gibt es Theoriestunden, sogenannte Selbstversorgerzeiten, in denen zum Beispiel Brot gebacken, Joghurt und Frischkäse zubereitet oder Marmelade eingemacht wird. Je nachdem was gerade im Haus benötigt wird oder von mir ausprobiert werden will. Dazu kommen wöchentliche Landwirtschaftszeiten und Stalldienste, sowie die bisherigen Tätigkeiten rund um den Kuhstall, Getreide und Gemüse. Konkret heißt das für mich: Im Melkstand helfen, die Kühe füttern oder Gemüse für die Hofgemeinschaft und den Hofladen ernten.

Im Permakultur-Garten merke ich, dass ein anderer Wind herrscht, als in der Landwirtschaft. Zwischen Wohnsiedlung, Feldern und Wald öffnet sich in diesem Garten eine andere Welt. Auf den ersten Blick wohl etwas chaotisch und unübersichtlich, weil überall etwas (wild) wächst oder schon wieder verrottet. Ein kleiner Kosmos im ständigen Wandel und Übergang. Das System dahinter zu erkennen, zu verstehen und mitzugestalten, das ist nur eine meiner Herausforderungen, die in diesem Jahr vor mir liegen.“

Permakultur in Theorie und ganz praktisch

Das nun beginnende Jahr soll ermöglichen einen breiten Einblick in die Arbeit mit der Permakultur und darüber hinaus zu erlangen. Vor allem soll jedoch praktisch gelernt werden. Es gibt viel Raum eigene Projekte zu entwickeln und die Permakultur-Theorie, also die Werkzeuge und Methoden, anzuwenden. Dabei wird das Fachwissen genutzt, dass auch in den Designkursen vermittelt wird. Und es wird weiter vertieft. Die Projekte können von einfachen Selbstversorgerprojekten, wie der Herstellung von Seife oder einer einfachen Heilsalbe über praktische Bauprojekte, etwa eines Frühbeets oder Kompostklos, bis zur eigenen Gartengestaltung oder dem Entwurf eines Waldgartens reichen. Aufwand und Komplexität werden sich im Laufe des Jahres steigern.

An drei Tagen in der Woche gibt es Theoriestunden, die meist von Cheryl oder Thom durchgeführt werden. Dort ist auch Raum für Reflexion über den Lernstand oder Fragen zur persönlichen Entwicklung. Bauer und Landwirt Wilhelm Bertram, Sozialwissenschaftlerin und Köchin Martina Helmcke sowie Imker Gerold Voss gehören ebenso zum LernOrt-Team wie zusätzliche externe Referent*innen aus den Bereichen Gartenbau, Landschaftsarchitektur und Wildniswissen.

Diese Kombination aus Erfahrungslernen in Landwirtschaft und Hauswirtschaft zusammen mit der angewandten Permakultur ist bisher einzigartig. Hier fließen alle miteinander verbundenen Bereiche zusammen. Es werden Tiere versorgt, deren Mist in unserem Kompost das Pflanzenwachstum im Garten unterstützt, Heckenschnitt und Holzhäcksel kommen dazu. Sowohl Milch als auch Obst und Gemüse werden in der Küche verarbeitet und für den Winter konserviert. Aus den Wäldern, von den Wiesen und aus den Kräutergärten kommen die Heilpflanzen, die zu Tees oder Pasten verarbeitet werden. Alle Teile des Hoforganismus sind miteinander verbunden, die Kreisläufe und Rückkopplungen sind täglich erlebbar. Und zu gestalten.

Der Fluss der Jahreszeiten

Das Lernprogramm ist entlang des Jahreskreises orientiert. Im Herbst stehen Ernte und Verarbeitung im Vordergrund, es ist die Zeit, in der die ersten Träume für das Jahr formuliert werden. Wir alle sind aufgeregt und voll freudiger Erwartungen. Es gibt erste Hintergründe und Gestaltungsansätze der Permakultur und des Projektmanagements zu üben. Eine Einführung in Kernroutinen des Wildniswissens schafft den Rahmen für die ersten Naturerlebnisse in der reichen Landschaft um den Hof.

Das Wintervierteljahr ist im Schwerpunkt eher eine Planungs- und Vorbereitungszeit. Von Dezember bis März geht es auch darum den Garten auf das kommende Frühjahr vorzubereiten. Außerdem können die Prozessmodelle der Permakultur oder Action-Learning-Ansätze ausprobiert werden. Zum Beispiel beim Bau eines kleinen Frühbeetes oder eines Wurmkompostes für das Haus. In der Landwirtschaft wird in dieser Zeit viel Holz gemacht und die Zäune der Weiden werden ausgebessert.

Ab März liegt der Schwerpunkt eindeutig beim Umsetzen, dem konzentrierten Tun. Simone wird viel im Garten sein. Ihr erstes eigenes Gartendesign kann nun umgesetzt werden, womöglich hinterlässt es wie auch andere Projekte der Lernenden dauerhafte Spuren auf dem Hof. Die Gestaltungsräume erscheinen geradezu unbegrenzt. Nach den Winterworkshops zu den Themen Backen und Käse herstellen wird Simone nun die Garten- und Permakulturkurse begleiten und ihr erlerntes Wissen weiter geben können. Im Vorjahr konnte ihr Vorgänger Fredi einen Bauworkshop zu einem lebendigen Weidenbauwerk, eine Kompostklo-Bauwerkstatt sowie zwei Permakultureinführungskurse aktiv begleiten.

Im letzten Vierteljahr wird sehr viel gefeiert, nicht nur auf dem alljährlichen Hoffest mit bis zu 500 Gästen. Es gibt reichlich zu ernten aber auch zu schauen, welche Wissensernte konnte eingefahren werden und welche persönlichen Entwicklungen wurden sichtbar. Diese Zeiten der Reflexion sind verbunden mit einem guten Abschluss der persönlichen Ausbildungsdokumentation sowie der Beschreibung des Lernportfolios sowie dem dazu gehörigen Feedback der Mentor*innen-Gruppe rund um Thom und Cheryl. Worin lagen die größten Herausforderungen und was waren die schönsten Überraschungen? Beim letzten Jahrgang waren das vor allem die tiefe Verbindung mit dem Land und der Landschaft sowie das Arbeiten an der Gemeinschaft. Aber auch die enge Verbindung zu den wunderschönen Tieren. Hier liegt beim engen Zusammenleben und der täglichen Zusammenarbeit die vermutlich größte Aufgabe. Dazu kommen Unmengen von Schlüsselerlebnissen, die uns alle immer wieder mit unseren Grenzen konfrontieren, aus der Komfortzone holen und Wachstumsräume öffnen.


Bereits erschienen im Permakultur Magazin, Ausgabe 2018 für Vereinsmitglieder. Hier kannst du Mitglied werden und dem Permakultur Institut e.V. beitreten. Der LernOrt Lebendige Landwirtschaft sind ein Praxisort für Permakultur.

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