Eine Gemeinschaft auf Zeit

Der 72-Stunden-Kurs „Kulturen gestalten – Welten wandeln“ taucht in die faszinierende Welt der Permakultur ein, welche für unsere drängendsten gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Probleme nachhaltige Lösungen bereithält. Dies ist mein Bericht als Teilnehmerin. Ein Bericht über die ersten beiden Teile des Kurses, die im November und Dezember 2019 in Berlin stattfanden und geprägt waren von Gemeinschaftssinn und konzentriertem Fachwissen.


von Isabel Batista

Als wir am 14. November 2019 im Theaterbündnis Blumenstrauß zusammenkamen, waren wir einzelne, einander fremde Menschen mit einem gemeinsamen Wunsch: die Grundlagen der Permakultur-Gestaltung zu lernen. Wir trafen uns in einem Nebengebäude des Kreuzberger Künstlerhauses Bethanien zum Kursstart „Kulturen gestalten – Welten wandeln“.

Neugierig darauf, was wir über Permakultur lernen würden, erkannten wir sehr bald, was alles durch die Kooperation mit der Natur möglich ist. Die Lerneinheiten fanden an jeweils zwei verlängerten Wochenenden von Donnerstag bis Sonntag statt. Jeweils dreißig konzentrierte Stunden. Mit einer Teilnehmerzahl von fünfzehn Personen entsprachen wir einer optimalen Gruppengröße, wie sie bei den Permakultur-Kursen üblicherweise angestrebt wird, um die Aufteilung in Einzelgruppen zu verhindern. Und das Konzept ging auf: Genauso wie in einem lebendigen System entstanden Verbindungen. Wir lernten miteinander, diskutierten auf Augenhöhe und mit einem hohen Grad an Empathie, angeleitet und gefördert durch unsere inspirierenden Dozenten Johanna Häger und Robert Strauch.

Die Grundlagen

Inhaltlich konnten wir zu zahlreichen Themen Grundlagenwissen sammeln. Dazu zählten ganz allgemeine Lektionen zu Bäumen, Klima, Boden und Pflanzenkunde sowie auf die Permakultur bezogene Aspekte wie Gestaltungs-Prinzipien nach Holmgren und Mollison, Waldgärten, Zonierung und Sektorierung und vielem mehr. Die theoretischen Einheiten wechselten mit Auflockerungsübungen ab, die teilweise in den Räumen des Theaterbündnisses und teilweise in der schönen Umgebung des Bethanien stattfanden. Zum Beispiel nutzten wir einen Platz im Freien für ein bewegungsintensives Spiel, welches uns ein eindrückliches Verständnis für die Eigendynamik von lebendigen Systemen vermittelte. Dieses Thema wurde uns von Gastdozent Cornelius Plache nähergebracht und mit Hilfe des Spiels verdeutlicht.

Meine eigene Begeisterung für solche Spiele hält sich eher in Grenzen. Mir fällt das gemeinsame Singen, Tanzen, Toben schwer, weil ich mich üblicherweise von anderen Menschen getrennt empfinde. Dennoch überwand ich mich zum Mitmachen und durfte dadurch neue Erkenntnisse gewinnen. Ich ließ mich darauf ein und spielte mit, sodass nach kurzer Zeit eine Verbindung zu den anderen Menschen im Kreis entstand. Ich schwirrte nicht mehr als einsames Fragment außerhalb des Ganzen, sondern fühlte mich verbunden. Und so kann aus einem lächerlich anmutenden Spiel plötzlich eine Dynamik entstehen, die der Motor für ein echtes, lebendiges System ist.

Der Waldgarten

Ein Schwerpunkt des Kurses lag auf dem Thema Waldgarten, der als das produktivste Landnutzungssystem unserer Erde vorgestellt wurde. Es war faszinierend, von den positiven Auswirkungen eines Waldgartens zu erfahren, welcher die Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit, Wasserverfügbarkeit und letztlich auch Ertragssicherheit positiv beeinflussen kann. Ein relativ einfaches Mittel, um effektiv gegen die aktuellen ökologischen Probleme wie Klimawandel, Artensterben und Wüstenbildung vorzugehen.

Das Kaffee-Plenum

Regelmäßig nach dem Mittagessen fanden wir uns zum Kaffee-Plenum zusammen. Es wurden Gedanken ausgetauscht, Befindlichkeiten offen ausgesprochen, Aufgaben geplant und unter den Anwesenden verteilt. Aufgaben waren zum Beispiel, für ein angenehmes Ambiente zu sorgen oder als „Zeitgeist“ die Einhaltung der Pausenzeiten im Blick zu behalten. Auch die Strukturierung und Moderation des Kaffee-Plenums selbst fiel in unseren Aufgabenbereich als Teilnehmende. So konnten wir voneinander Ideen abschauen, wie solche Zusammenkünfte lebendig gestaltet werden können. Mindestens genauso wertvoll wie die Lerneinheiten und das darin vermittelte Fachwissen waren für mich die vielfältigen, oft auch konträren Meinungen unter uns Teilnehmer*innen . Johanna und Robert schufen einen vertrauensvollen Raum, der jeder und jedem von uns ausreichend Möglichkeiten gab, unsere Meinungen frei zu äußern. Dies wurde oft genutzt, wodurch interessante Diskussionen mit erhellenden Erkenntnissen entstanden.

Das Planungsspiel

Eine weitere Gelegenheit für konstruktiven Austausch bestand bei den Planungsspielen, die samstags durchgeführt wurden. Johanna und Robert stellten uns teils fiktive und teils von der Realität inspirierte Grundstücke vor, die wir nach unterschiedlichen Vorgaben mit den erlernten Permakultur-Werkzeugen planen durften. In meiner Planungsgruppe waren wir zu viert, stellten einander unsere Lieblingsideen vor, die dann auf Grundlage des vorliegenden Planungsobjektes hinterfragt wurden.

Vorstellungen, die mich ein Leben lang begleitet hatten, wurden von den Teammitgliedern auf den Kopf gestellt. Ich erkannte, dass ich planerische Fehler eingebaut hätte, hätten meine Diskussionspartner mich nicht mit ihrer konstruktiven Kritik in die richtige Richtung gelenkt. Sie wussten es besser, und das war gut so. Ideen werden herausgefordert, wenn sie auf andere Menschen treffen. Unterschiedliche Hintergründe wie Alter, Herkunft, Wohnort, Beruf, Lebensstil und so weiter liefern wertvolle Erkenntnisse. So wird die Umsetzbarkeit von Plänen frühzeitig auf die Probe gestellt. Jeweils sonntags wurden die Ergebnisse der Designübungen präsentiert. Dabei stellten die Teams ihre Skizzen, Schnitte und gezeichneten Pläne den anderen Teilnehmer*Innen vor, gingen auf deren Fragen und Anregungen ein.

Was mir ein wenig zu kurz kam, war die Vermittlung verschiedener Präsentationstechniken, um die angefertigten Pläne verständlich und eindrucksvoll vorstellen zu können. Zwar gab es während der Präsentation viele Tipps und Verbesserungsvorschläge, doch fehlte mir ein wenig Struktur, an der ich mich als Präsentierende hätte orientieren können. Wie auch andere Spezialgebiete, die sich während der Beobachtungs- und Planungsphasen auftun können, ist aber auch das Präsentieren ein weiteres Feld, dem sich der Permakultur-Designer beziehungsweise die -Designerin vertiefend widmen kann. Das ist ein besonderer Reiz an dem riesigen Thema Permakultur: Das Lernen geht immer weiter!

Ella

Eine ganz besondere Teilnehmerin stieß am zweiten Wochenende dazu. Ihr zartes, freundliches Wesen sorgte dafür, dass wir sie problemlos in unserer Mitte aufnehmen konnten. Tatsächlich brachte Hündin Ella eine ganz neue Dynamik in die Gruppe. Meistens lag sie friedlich neben ihrem Herrchen. Doch hin und wieder bemerkte sie etwas, das uns Menschen entgangen war, und zeigte es durch Habachtstellung an. Ich fand sie faszinierend. Sie steuerte als Lebewesen einer anderen – nicht menschlichen – Art eine ganz andere Art der Lektionen über das Leben bei.

Unser Maulbeerbaum

Der absolute Höhepunkt war für mich das Pflanzen eines Maulbeerbaums in der Grünanlage des Bethanien. Die Aktion stand im Zeichen des globalen Klimastreiks am 29. November 2019. Statt auf die Demonstration zu gehen, die in die Zeit des Kurses fiel, führten wir unsere eigene kleine Guerilla-Pflanzaktion durch. Dabei lernten wir, worauf wir bei einer Baumpflanzung achten müssen und wie man den kleinen Setzling mit Hilfe eines „Lasagne-Beets“ auch auf einem kargen Boden mit allen nötigen Nährstoffen versorgen kann. Durch die Aufschichtung von Stroh, Pferdeäpfeln, Grünschnitt und das „Würzen“ mit Holzspänen, Ton- und Kalksteinmehl entstand ein warmes Nest, quasi ein „Futterbett“ für den Baum, das ihn durch die nächsten Wochen und Monate bringen und gleichzeitig das Bodenleben verbessern wird. Eingerahmt wurde die gemeinsam durchgeführte Baumpflanzung von einer beeindruckenden Wertschätzung gegenüber der Erde, die hoffentlich für viele Jahrzehnte ein sicheres Zuhause für den Baum sein wird.

Fazit

Zugegeben: Ein 72-Stunden-Kurs für Permakultur-Design ist anstrengend und zeitintensiv. Er fordert Konzentration, Offenheit und die Bereitschaft, sich in manchen Bereichen zu überwinden. So auch der Kurs „Kulturen gestalten – Welten wandeln“ mit Johanna und Robert. Doch dieser Kurs war für mich eine außergewöhnliche Bereicherung. Er half mir, in sehr kurzer Zeit zu wachsen und mich nachhaltig zu verändern. All das Wissen, die Gemeinschaftsbildung in der Gruppe, die intensiv erlebte gemeinsame Zeit fließt nun in meine Projekte ein, wird sie nähren wie ein gut gewürztes „Lasagne-Beet“. Das besonders Spannende an der Permakultur ist für mich, dass sich damit nicht nur klassisch gärtnerische Projekte gestalten lassen. Es ist auch ein Werkzeug, mit dem wir Leben verändern werden.

 


Eine Übersicht der angebotenen Kurse, Einführungs- und 72-Stunden-Kurse, findest du in unserem Kurskalender. Ein 72-Stunden-Kurs (Permakultur-Design-Kurs) ist Voraussetzung deiner Teilnahme an der Weiterbildung Permakultur Design.

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